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Replik auf N. Pierre : EU-"Verfassung" : Aufrüstung als gute Sache ?

Claude Frentz (info@constitution.lu) schreibt am 14. April 05 17:25 :

Lieber Herr Pierre,

Sie haben in ihrer Stellungnahme zur « Gemeinsamen Aussen-und Sicherheitspolitik » (GASP) einige interessante weil m.E. nach fälschliche Aussagen gemacht auf die ich hier im einzelnen eingehen will :

-  So schreiben sie : « EU-Einsaetze im Kader der sogenannten Petersberg Missionen dienen vor allem humanitaeren und zivilen Einsaetzen, um Konflikte zu entschaerfen oder zuvorzukommen. »

In Artikel III-309 der neuen EU-« Verfassung » werden die Militäroperationen der EU beschrieben. Die von ihnen zitierten Petersbergaufgaben (« humanitäre Einsätze » bis hin zu Kampfeinsätzen) werden in der EU-« Verfassung » erweitert durch sogenannte « Abrüstungskriege » (Wortschöpfung Joschka Fischers). « Missionen » mit militärischen Mitteln umfassen « gemeinsame Abrüstungsmassnahmen » (III-309, 1). Auch militärische Aktionen im Kampf gegen den Terror auch in « Drittstaaten » (III-309,1) werden festgelegt. Lang lebe der Mythos der « humanitären Intervention » ! A propos EU als « Zivilmacht », die sich lediglich militärisch betätige um humanitäre Missionen zu erledigen oder um gegen böse Terroristen vorzugehen : Im von den EU-Regierungen beim Pariser Institut für strategische Studien (ISS) in Auftrag gegebene sog. « European Defence Paper » wird zudem Tacheles geredet : « Künftige regionale Kriege könnten europäische Interessen tangieren ... indem europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Beispielsweise durch die Unterbrechung der Ölversorgung und/oder einer massiven Erhöhung der Energiekosten, (oder) der Störung der Handels-und Warenströme. » (S.81)

Ich teile die Meinung Tobias Pflügers der Informationsstelle Militarisierung (IMI) der schreibt, dass in der neuen EU-« Verfassung » « die militärischen Mittel (...) voraussetzungslos als gleichrangige Option offen gehalten und zusätzlich noch mit den zivilen vermischt (werden). Mehr noch : Während die Verfassung keine Strukturen und damit auch Ressourcen für rein zivile Konfliktlösungsansätze bereitstellt, wird dem militärischen Bereich u. A. mit der Einrichtung der Rüstungsagentur ein hoher und gegenüber zivilen Mitteln prioritärer Stellenwert eingeräumt. »

-  « Diese in Drittstaaten unternommenen Missionen brauchen, um 100Prozent legitim zu sein, ein Mandat vom UNO-Sicherheitsrat. »

War etwa der Bombenangriff auf Ex-Jugoslawien per UN-Mandat legitimiert ? Von Interventionen nur mit UN-Mandat geht jedenfalls keine Rede in der neuen EU-« Verfassung ». Statt sich für eine Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen in Konflikten zu stärken und sich der Charta der UN und insbesondere dem Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen zu unterwerfen, spricht die neue EU-« Verfassung » lediglich von einer « Weiterentwicklung » des Völkerrechts und möchte sich lediglich auf die « Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen » (Protokoll 23 über die ständige strukturierte Zusammenheit) verpflichten. Diese wage Formulierung lässt die Möglichkeit für nicht UNmandatierte Militärinterventionen durch die EU offen und ist auch kein Zufall !

-  « Also ob mit oder ohne Verfassungsvertrag wird sich daran (EU-Militäreinsätze, C.F.) nichts aendern oder etwas wirklich Neues ereignen. Der Text dient nur dazu die Einsatzmoeglichkeiten und Abwicklung genauer zu definieren ! »

Leider haben sie damit Recht, dass längst Tatsachen geschaffen wurden, so funktioniert etwa, wie sie richtig schreiben das Europaïsche Amt für die Kontrolle und Umsetzung der Aufrüstung bereits, ohne dass diese je demokratisch legitimiert wurden. Zudem rüsten die meisten EU-Länder ja wieder auf, und dies auch ohne die in der neuen EU-« Verfassung » festgeschriebene Aufrüstungsverpflichtung mit jährlich steigenden Kosten bereits angenommen zu haben. Dies ist, da werden sie mir vielleicht zustimmen, gerade ein Zeichen für das aktuell verherrschende Demokratie-Defizit, was durch die Annahme der EU-« Verfassung » vor allem im Bereich der GASP meiner Meinung nach noch zunehmen wird. Und dies weil die Aussenpolitik und Militäreinsätze der Entscheidungsbefugnis und Kontrolle der Parlamente entzogen und allein dem EU-Rat untersteht. Das europäische Parlament wird lediglich « auf dem Laufenden gehalten » (Art.I-41-8) und kann « Anfragen » stellen (III-304-2). Nicht einmal eine Kontrolle der Aussenpolitik und der kriegerischen Aktivitäten des Ministerrats durch den europaïschen Gerichtshof ist möglich (III-376) !

-  « Bis diese ’Agence de l’armement’ aber einmal die Zwecke erfuellen soll vor denen sie hier warnen wollen, und wenn ueberhaupt, werden aber noch sehr viele Jahre vergehen ! »

Wer den von den EU-« Verteidigungs »-ministern im März 2004 beschlossenen Fahrplan zur globalen Kriegsführungsfähigkeit liest (Head-Line Goal 2010) kommt nicht umher festzustellen, dass der EU-Aufrüstungskurs schneller gehen wird als sie es behaupten. So geht es Schlag um Schlag :

2005 : Europäische Luffttransportkapazitäten und Europäisches Lufttransportkommando
2007 : Europäische Battle Groups (7-8 Schlachtgruppen in Batailonsstärke = 1500 Soldaten, Einsetzbarkeit spezialisiert jeweils auf unterschiedliche klimatische und geographische Besonderheiten innerhalb von 5-30 Tagen)
2008 : Verfügbarkeit eines Flugzeugträgers mit Begleitschiffen
2010 : Einheitliches EU Kommando für globale Militärinterventionen (boden- und weltraumgestützt) Verbindung aller Kommunikationswege

-  « Die NATO mit ihrer massiven US Luftkraft musste zur Hilfe gerufen werden. Die aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammengesetzten Truppen bieten jetzt wenigstens ein minimum mehr Autonomie, um solche Konflikte zu vermeiden. »

In wie fern kommt es zu mehr Autonomie der GASP wenn wie in einer der vielen fast unbekannten Protokolle der neuen EU-« Verfassung » nicht nur die Zusammenarbeit mit der NATO festgeschrieben wird sondern auch erklärt wird dass, man zur « Vitalität eines erneuerten Atlantischen Bündnisses beitragen » sowie die NATO « als Fundament der kollektiven Verteidigung » wolle (Protokoll 23 über die ständige strukturierte Zusammenarbeit) ? So weit mir bekannt ist der Oberkommandierende der NATO ein US-Offizier und dessen Vorgesetzte der amerikanische Präsident ! Und der heisst George W.Bush !

Ohne jetzt auf die von ihnen angeführten « Erfolge » europäischer Militärpolitik genauer eingehen zu wollen, so darf doch nicht vergessen werden, dass solche Interventionen letztlich ein Scheitern ziviler Konfliktlösungen - welche leider nicht oder kaum von der EU betrieben wurden - und sogar Ausdruck geo-strategischer Interessen sind. Hat die Eskalation des Jugoslawienkonfliktes etwa nichts mit der unilateralen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch die BRD zu tun ? Hat der Mazedonienkonflikt nichts mit der massiven Unterstützung albanischer Extremisten durch die EU und NATO zu tun ? Warum mussten im rohstoffreichen Kongo bereits Millionen Menschen sterben, ohne dass dies jemanden gestört hätte ?

Übrigens geht die Entwicklung der zunehmenden Militarisierung auf der Ebene der EU Hand in Hand mit dem Sozialabbau im Inneren. Eine Abkehr von diesem fatalen Kurs ist nicht zu erkennen sondern wird durch die vorliegende « Verfassung » zementiert. Daher kann, sie werden es sicher herausgelesen haben, meiner Meinung nach nur ein deutliches NEIN zu diesem Text eine Grundlage für ein wirklich friedliches und ziviles Europa sein.

Hochachtungsvoll,
Claude Frentz,
Mitglied des Komitees NEIN zu dieser « Verfassung »

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